Elisabeth Baume-Schneider zum nationalen Tag der betreuenden Angehörigen
Wer Angehörige betreut und pflegt, leistet einen unschätzbaren Beitrag – für die pflegebedürftigen Familienmitglieder und für die Gesellschaft als Ganzes. Rund 600'000 Menschen in der Schweiz unterstützen Menschen in ihrem Umfeld, regelmässig und zuverlässig. Ihre Hilfe ermöglicht mehr Selbständigkeit im Alltag, und zwar auf vielfältige Art und Weise: Betreuende Angehörige ergänzen die professionelle Pflege von Spitex-Diensten, von Spitälern oder Heimen; sie unterstützen ihre Angehörigen psychisch und sozial.
Diese zwischenmenschlichen Beziehungen und diese Arbeit sind ein wichtiger Pfeiler unseres Gesundheitssystems. Dennoch wurden sie während Jahrhunderten schlicht übersehen und für selbstverständlich genommen. Hier stellen wir zum Glück einen Wandel fest. Es gab einige Fortschritte in den letzten Jahren: Das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege ermöglicht betreuenden Angehörigen im Rahmen eines bezahlten Urlaubs etwas Entlastung. Auch wurden die Betreuungsgutschriften in der AHV erweitert, so dass Angehörige, die pflegebedürftige Verwandte betreuen, ihre Altersrente verbessern können.
Es wächst das Bewusstsein, dass die Pflege von Angehörigen kein Selbstläufer ist: Sie setzt das Vertrauen der betreuten Menschen und ihre Bereitschaft voraus, sich helfen zu lassen. Und sie funktioniert nur dank dem beeindruckenden Einsatz der Betreuenden. Auch wenn die Beziehung meist bereichernd und aufbauend ist, so darf doch nicht übersehen werden, wie anspruchsvoll diese Arbeit ist: Die Pflege von Angehörigen ist zeitintensiv, sie kann belasten, erschöpfen und Konflikte verursachen. Umso wichtiger ist es, dass betreuende Angehörige Anerkennung und politisches Gehör finden.
Was gilt bei uns als Arbeit, und wie viel ist sie uns wert? Diese Fragen müssen wir als Gesellschaft diskutieren und beantworten. Denn sie werden noch an Bedeutung gewinnen: Weil die Gesellschaft älter wird, werden mehr Menschen Unterstützung benötigen als je zuvor. Betreuende Angehörige leisten ihren Beitrag oft an 365 Tagen im Jahr. Ein nationaler Tag der betreuenden Angehörigen genügt freilich nicht, um ihnen die Wertschätzung und Anerkennung auszusprechen, die sie verdient haben. Aber er verschafft dieser sensiblen Debatte mehr Aufmerksamkeit.
Elisabeth Baume-Schneider, Bundesrätin, Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Innern
Quelle: www.cipa-igab.ch